„Ich kann mir vorstellen, das für den Rest meines Lebens zu machen“

24 Feb

„Ich kann mir vorstellen, das für den Rest meines Lebens zu machen“

Sie ist seit ca. 20 Jahren in der Erwachsenenbildung tätig. Sie ist seit 2008 WIFI-Trainerin. Sie bildet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Buchhaltungsagentur in den Bereichen „Zeitmanagement“ und „Train the Trainer“ weiter. Und sie wurde für Spitzenleistungen in der Erwachsenenbildung mit dem LENA AWARD 2020 ausgezeichnet. Wir haben Maga Christine Knotek gratuliert und mit ihr über die Wichtigkeit von Weiterbildung, ungemütliche Teilnehmende und die Auswirkung von Corona-Maßnahmen auf das Seminarangebot und das Privatleben gesprochen.

Herzlichen Glückwunsch zum LENA AWARD! Wie war die Preisverleihung unter Corona-Maßnahmen?
Insgesamt 100 Trainingstage absolviert Mag.a Christine Knotek in einem Jahr, selbst besucht sie 4-5 Seminare pro Jahr.

Christine Knotek: Vielen Dank! Mehr oder weniger kontaktlos. Zugelassen waren nur die 6 PreisträgerInnen, die Leiterin des WIFI-Wien, Mag.a Barbara Kluger-Schieder und die Leiterin der Trainerkommunikation, Mag.a Susanne Riegler. Im Festsaal des WIFI-Wien standen nur ein paar Sessel mit ganz viel Abstand. Gratuliert wurde ohne Händeschütteln und das Preisgeld wurde symbolisch überreicht. Wir haben dann noch unsere Konzepte vorgestellt, mehr ging leider nicht.

Das Preisgeld waren EUR 1000,- für den 1. Platz. Wissen Sie schon, was Sie mit dem Geld machen werden?

Fürs Erste habe ich das Preisgeld ins Sparschwein gepackt und wenn es dann wieder irgendwann gehen sollte, wird es wohl ein kleiner Urlaub werden.

Wie sind Sie überhaupt zur Erwachsenenbildung gekommen?

Direkt nach dem Studium war ich im Bereich Change Management tätigt. Wir haben für einen großen Kunden in Deutschland Workshops gemacht, neue Prozesse und Software geschult und die neu entstandenen Führungsebenen begleitet.

Ich hatte das Glück von Anfang an dabei zu sein und habe viel gelernt: Wie stelle ich ein Training zusammen? Wie bereite ich Unterlagen auf? usw. Dafür habe ich Feuer gefangen und mir gedacht: Ich kann mir vorstellen, das für den Rest meines Lebens zu machen! Das war vor über 20 Jahren.

Und wie ging es dann weiter? Sie sind ja jetzt selbstständig.

Nach den Jahren im Consulting habe ich Partner gesucht, um mich selbstständig machen zu können. Mit dem WIFI hat das gut geklappt und die Tätigkeit dort hat sich dann einfach nach und nach gesteigert.

Wie kommt es zu den einzelnen Seminaren bzw. zu den Themen?

Die Themen habe ich mir schon auch zurechtgelegt: Mein erstes Thema war Präsentationstechnik. Aber es ergeben sich auch immer wieder neue Bereiche. Zum Beispiel war ich immer gut im Organisieren und da hat sich dann auch das Thema Zeit-  und Selbstmanagement angeboten.

Was braucht es alles für ein neues Seminar?

Bevor ich ein neues Seminar halte, recherchiere ich zum Thema, besuche selbst Seminare. Dann habe ich zuerst mein Basisprogramm. Dann gibt es mit den Kunden ein Vorgespräch und wir erarbeiten auch gemeinsam den Inhalt. Wir schauen uns an was genau der Bedarf ist. Dann wird noch einmal recherchiert und ich stelle das Seminar auf die Zielgruppe zusammen. Im Nachgespräch gibt es dann noch Feedback und wir schauen, ob es etwas zu verbessern gibt. So entwickelt sich das Seminar Stück für Stück weiter.

Wie viele Seminare haben Sie aktuell im Repertoire?
Mag.a Christine Knotek ist seit 2008 für die BHAG als Trainerin tätig und hat über 70 Schulungen bei uns gehalten.

Ich habe sozusagen vier Grundthemen, aus denen ich auf Kunden maßgeschneiderte Seminare anbieten kann:

  1. Präsentationstechnik
  2. Zeit- und Selbstmanagement
  3. Moderation und Kommunikation
  4. Train the Trainer
Das bedeutet, Sie präsentieren eigentlich immer wieder dieselben Themen. Wird das mit der Zeit nicht monoton?

Das ist eine gute Frage! Aber eigentlich wird ein Thema nie langweilig, weil es sich im Laufe der Zeit wandelt. Zum Beispiel in der Selbstorganisation. Früher gab es den Filofax, jetzt gibt es Apps. Die Themen entwickeln sich sehr stark weiter.

Was es auch sehr spannend macht ist, dass jedes Mal neue Menschen vor mir sitzen. Also auch ganz unterschiedliche Persönlichkeiten: Von Perfektionisten bis Chaoten. Ich überlege mir dann, was brauchen die, wie kann ich ihnen Werkzeuge in die Hand geben, mit denen sie arbeiten können.

Der LENA AWARD kommt von LEbendige und NAchhaltige Konzepte. Was bedeutet für Sie lebendig und nachhaltig in der Erwachsenenbildung?

Zum Einen, dass man als Trainerin teilnehmende Personen aktiviert – also nicht „Ich habe 100 PowerPoint-Folien und die bete ich jetzt herunter“, sondern ich versuche stark mit interaktiven Methoden zu arbeiten, z.B. Gruppenarbeiten, Quiz, Brainstorming, also Personen zu aktivieren um zum Nachzudenken anzuregen.

Im Zeit- und Selbstmanagement gibt es eine Übung, in der wir Zeitdiebe identifizieren. Da lasse ich die Teilnehmenden selber nach Lösungen suchen und ziehe das als Basis für eine Diskussion heran.

Nachhaltig ist für mich, dass man immer wieder auf Kernbotschaften hinweist, z.B. am Schluss noch einmal Tipps zusammenfasst, damit die auf jeden Fall hängen bleiben. Eine Möglichkeit ist auch, dass sich die Teilnehmenden selbst einen Aktionsplan schreiben, was man umsetzen möchte. Man hat nichts davon, wenn man sich zu viel vornimmt, das man erst recht nicht umsetzen kann. Es geht um kleine Schritte der Veränderung und zu versuchen, da dran zu bleiben.

Stichwort lebendig: Sie haben einen überhaupt nicht motivierten Teilnehmer im Seminar sitzen, der beginnt negativ aufzufallen. Wie gehen Sie damit um?

Ich habe da ein zweistufiges System: Zuerst melde ich das zurück, das heißt ich kommuniziere an die Person „Mir fällt auf, dass…“ und ich versuche herauszufinden was dahintersteckt. Ist die Person abgelenkt oder sieht sie den Nutzen für sich nicht?

Und dann versuche ich die Person einzuladen, also ich nehme das an, aber fordere gleichzeitig auf „Schauen Sie mal, ob Sie nicht doch für sich etwas mitnehmen können, dass Sie vorbereitet sind, wenn Sie in die Situation kommen“. Dadurch aktiviere ich die Freiwilligkeit und nehme Druck heraus. Von „Du musst jetzt“ zu „Ich biete dir das an und schauen Sie mal, ob Sie nicht etwas mitnehmen können, wenn Sie schon mal hier sind“.

Das funktioniert bei mir meistens sehr gut.

Coronabedingt sind Gruppenarbeiten und ein Austausch untereinander ja schwer möglich. Aber „Digitalisierung im Training“ ist gerade in aller Munde und in dieser Kategorie haben Sie ja auch gewonnen. Wie kann Digitalisierung in der Weiterbildung erfolgreich umgesetzt werden und was ist dafür nötig?

Eine gute technische Grundausstattung ist die Basis – als Trainerin: Habe ich eine gute Webcam und auch Headset? Und beherrsche ich die Software? – für Teilnehmende: Haben sie die nötigen Zugänge und Ressourcen, aber auch Ruhe, um teilnehmen zu können?

Ich finde es sehr wichtig eine klare Struktur vorzugeben. Es bringt nichts, 8 Stunden dauerhaft vor dem Bildschirm zu sitzen. Bei mir gibt es Online-Webinar-Phasen, in denen ich Inhalte transportiere und Reflexionsübungen – also selbstständiges Arbeiten. Das ist oft sogar besser zu Hause als im Seminarraum, weil die Teilnehmenden dann in Ruhe über die Aufgaben nachdenken können.

Und man kann Tools anbieten: Das Web-Conference-Tool Zoom zum Beispiel bietet Breakout-Sessions an, das sind Gruppenarbeiten wie im Seminarraum, nur virtuell. Das ist 1-zu-1 wie im Seminarraum möglich. Ich kann auch in jede Kleingruppe hineingehen und Fragen beantworten.

Es gibt aber noch ganz viele andere Interactions-Tools, z.B. Mentimeter, da kann man Quiz, Abfragen und Wordclouds umsetzen. Gute Tools sind vorhanden, man muss sie kennen und sich trauen sie auch einzusetzen.

Wir lernen in der Schule schon einiges, dann machen viele noch eine Ausbildung, studieren oder erarbeiten sich Fertigkeiten direkt am Arbeitsplatz. Warum ist die Erwachsenenbildung trotzdem so wichtig?

Der große Benefit von Weiterbildung ist, dass man sich einen oder mehrere Tage Zeit nimmt und wirklich raus geht aus dem üblichen Arbeitsprozess. Man kann dann die üblichen Situationen reflektieren, Veränderungsbedarf sehen und sich Raum schaffen, um in einen Lernkontext einzutauchen. Um dann auch zurückzugehen in die Arbeit und das umsetzen.

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind wieder vermehrt im Homeoffice. Welche Tipps haben Sie für den Alltag?

Mein erster Tipp, das mache ich übrigens selbst auch jeden Tag in der Früh, ist, meine Aufgaben zu definieren: Welche Termine habe ich? Was möchte ich heute erledigen? Also ich strukturiere mir meinen Tag und versuche das auch wirklich einzuhalten.

Das Zweite ist, auch wertzuschätzen, dass viele Dinge auch einfacher werden. Also die ganzen Unterbrechungen im Büro, die Störungen, dass jemand vorbeikommt oder es laut ist, das fällt weg! Man kann das eigene Tempo festlegen und auf die eigenen Bedürfnisse Rücksicht nehmen.

Das Dritte ist, dass sich auch neue Möglichkeiten eröffnen. Ich kann mir z.B. etwas Gutes Kochen, wo ich mir sonst nur schnell beim Vorbeilaufen etwas kaufe. Solche Dinge auch bewusst genießen und diese Art der Entschleunigung, zu der wir gezwungen sind, auch annehmen. Also einen Perspektivenwechsel vornehmen, die Situation positiv sehen – das macht es meistens leichter. Es ist jetzt halt mal so, wir können es nicht ändern, aber wir können unsere Einstellung dazu ändern.

Was ich bei mir selber gemerkt habe ist, dass ich beim 1. Lockdown viel mehr von Panik geprägt war. Dadurch, dass wir die Situation jetzt schon kennen, kann man das mit Ruhe und Gelassenheit angehen.

Auch in der Buchhaltungsagentur gibt es Seminare, einerseits für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch für externe Personen. Welche Tipps können Sie einem Trainerteam geben?

Tipp 1: Supergut vorbereiten: Ich bin dann gut, wenn ich inhaltlich vorbereitet bin und ganz genau weiß, wann was gemacht wird.

Tipps 2: Für einen selbst gut sorgen: Das fängt an, dass man am Vortag früh genug schlafen geht, ein gutes Outfit aussucht, gut isst und auch für Pausen sorgt.

Tipp3: Mit Leichtigkeit und Humor oder auch Selbstironie ins Seminar gehen und aus der steifen Trainerrolle hinaustreten. Das Trainerdasein darf und soll auch Spaß machen!

Und für Online-Seminare?

Online ist ein gutes Zeitkonzept noch wichtiger, also eine genaue Agenda die auch eingehalten wird. Außerdem müssen Übungen und Selbstreflexionsphasen viel detaillierter beschrieben werden. Es gibt zwar die Möglichkeit auch online nachzufragen, aber erfahrungsgemäß machen das die wenigsten Teilnehmenden. Den Teilnehmenden muss genau erklärt werden, wo sie welche Informationen finden – gibt es eine Plattform? Kommt alles per E-Mail?

In der Buchhaltungsagentur sind wir auch immer auf der Suche nach neuen Trainerinnen und Trainern – wir haben das Gefühl, dass der Job eigentlich nicht so beliebt ist. Woran liegt das und wie kann man Menschen für die Erwachsenenbildung motivieren?

So ein Trainingstag fordert in etwa so wie eineinhalb „normale“ Bürotage. Weil man nie aus der Verpflichtung rausgehen kann. Wenn ich 8 Stunden verantwortlich bin für eine Gruppe, kann mir nicht egal sein, was die Gruppe macht, wenn ich 10 Minuten weg bin und mir einen Kaffee hole. Man muss präsent und wachsam sein, auch, um die Gruppendynamik im Blick zu haben.

Das ist zwar fordernd, ABER: Es ist wahnsinnig lohnend. Eine Gruppe ist wie ein Spiegel und ich erfahre jedes Mal immer irgendetwas Neues über mich. Geht’s mir gut, dann geht’s der Gruppe gut. Zweifle ich, zweifelt auch die Gruppe. Das wird sehr stark rückgemeldet. Und das ist eine ganz tolle Erfahrung. Weil man sehr viel über sich selbst erfährt und Fähigkeiten erwirbt, für die es sonst gar keine Chance gibt.

Eine Gruppe zu steuern, zu leiten oder zu begleiten, das ist wahnsinnig spannend und schon fast eine Führungsaufgabe. Für mich ist es der schönste Moment, wenn die Inhalte auch aufgenommen werden und ich mit einem Gefühl nach Hause gehe, dass ich Menschen etwas auf ihrem Weg mitgegeben habe.

Kann das auch eine gute Vorbereitung auf eine Führungsposition sein?

Auch das kann sein. Weil gerade als Führungskraft braucht man die Erfahrung, Gruppen begleiten zu können und ein Gefühl für Gruppendynamiken zu bekommen. Wie kann man positiv steuernd eingreifen etc.

Einen Spiegel vorgehalten bekommen, also sich mit sich selbst beschäftigen, da werden viele sagen, dass sie das nicht interessiert.

Das stimmt, aber: Nur wenn ich es weiß, kann ich es ändern. Die ganzen Eigenschaften, die wir haben, sind sowieso da und wenn wir sie unbewusst weiterleben, habe ich keine Chance einzugreifen. Ich weiß, Reflexion ist immer schwierig, weil man auch Dinge sieht, die man nicht mag, aber man weiß es dann zumindest.

Das ist wie wenn ich in der Früh in den Spiegel schaue und ich finde, die Frisur passt nicht, dann kann ich es verändern. Wenn ich das nicht mache, laufe ich den ganzen Tag zerzaust durch die Straßen.

So ist es mit der eigenen Persönlichkeit auch: Wenn ich es gar nicht weiß, merke ich gar nicht, was ich so tue oder ausstrahle. Dass ich vielleicht ausstrahle: Ich habe überhaupt keine Lust. Aber wenn ich es weiß, kann ich es verändern. Das ist anstrengend, aber es ist eine lohnende Arbeit.

Vielen Dank für das interessante und motivierende Gespräch!

 

Das Interview führte Miriam Rafenstein am 2. November 2020.

Bilder: © Mag.a Barbara Lachner